D F U e



From: caliban@online.de (Manfred Russ)
Newsgroups: de.talk.jokes
Subject: Re: Suche: Modemstory
Date: Thu, 26 Aug 1999 13:23:10 +0200
Organization: Welche Organisation denn, zum Geier nochmal...
Lines: 677 oh Mann :-)
Am Wed, 25 Aug 1999 21:48:25 GMT schrieb tHOMAS:
Die Geschichte dreht sich um einen Typen, der sein erstes Modem bekommt und was er dann so alles erlebt
Meinst Du das? -- Ich bin krank. Ich bin abhaengig. Meine Sucht heisst DFUe, und
Mail ist meine Droge.

Zur Dokumentation meines Einstiegs, Leidensweges und meiner zunehmenden Vereinsamung werde ich hier mein Tagebuch veroeffentlichen, allen zur Warnung und als schlechtes Beispiel.

Arno Nuehm

Tag 1
Habe mir heute ein Modem gekauft, 2400 bps. Ein Freund hat mich dazu ueberredet. Ausprobieren konnte ich es nicht, denn erstens habe ich keine DFUe-Software und zweitens kann ich es nicht anschliessen

Morgen will mein Freund das Modem anschliessen, er murmelte irgendwas von zwei Draehten und Parallelschaltung. Er macht das schon.

Ich bin aufgeregt.

Tag 2
Heute nachmittag hat mein Freund das Modem angeschlossen. Er hat zwei Draehte von der Telefondose aus bis zum Computer gelegt.

Auf meinen 286er hat er ein Programm namens Telix kopiert. Da ist ein Telefonverzeichnis drin, mit Nummern von Mailboxen. Die werde ich alle mal anrufen.

Bei den ersten Waehlversuchen erschien immer bloss "NO CARRIER" auf dem Bildschirm, worauf mein Freund in irgendwelchen Menues etwas verstellte, bis das Modem schliesslich funktionierte. Er liess mich dann an die Tastatur.

Zuerst musste ich Escape druecken, dann sollte ich meinen Namen eingeben. Mein Freund meinte, ich hiesse "Gast". Dann sollte ich viele Fragen ueber meinen Computer beantworten, mein Freund sagte mir die Antworten und schrieb sie auch auf einen Zettel, fuer andere Mailboxen, wie er sagte.

Ich sah mir zunaechst die Menues der Box an. Alles ging sehr langsam, das liegt an meinem Modem, meinte mein Freund. Machen konnte ich eigentlich nichts, weder Nachrichten schreiben und Spiele spielen noch Dateien kopieren. Dafuer muss man eingetragener User werden, das mache ich morgen.

Tag 3
Habe heute gleich nach der Arbeit den Computer eingeschaltet und die Box von gestern angerufen. Ich habe mich als User eingetragen und musste mir ein Passwort ausdenken. Die Mailbox meinte, ich solle nicht meinen Namen nehmen und in jeder Box ein anderes Passwort verwenden. Ich habe mir dafuer einen Zettel an meinen Monitor geklebt.

Als User darf man viel mehr Sachen machen in der Mailbox, ich habe erstmal eine halbe Stunde Tetris gespielt. Das ist zwar nicht so schoen wie bei mir zuhause, aber dafuer langsamer, so dass ich besser spiele.

Ich darf jetzt auch "downloaden", so der Fachausdruck fuer das Herunterkopieren von Programmen. Geklappt hat es nicht, weil die Box meinte, meine Zeit fuer heute wuerde nicht mehr dafuer reichen. Na gut, wird auf morgen verschoben.

Nachrichten schreiben geht auch, ich habe meinem Freund geschrieben, dass alles funktioniert. Ob ich oeffentliche oder private Nachricht gewaehlt habe, weiss ich nicht mehr so genau, aber es wird schon geklappt haben.

Die anderen Mailboxen konnte ich nicht anrufen, weil meine Freundin nach Hause kam und Ewigkeiten telefonierte. Ich habe ihr nichts vom meinem neuen Hobby erzaehlt.

Tag 4
Heute vormittag habe ich mit meinem Freund wegen der kurzen Onlinezeit telefoniert. Er meinte, mit einem schnelleren Modem koenne ich auch vernuenftig downloaden, "saugen", wie er es nennt.

Nachmittags habe ich dann sofort nach dem Login einen Download gestartet, leider wurde die Datei (irgendein Spiel) nicht komplett uebertragen, weil meine Freundin das Telefon abnahm und "Da pfeift einer ins Telefon" rief, was mein Modem mit "NO CARRIER" quittierte.

Danach war die Box immer besetzt. Ich habe dann angefangen, die Boxen aus dem Telefonverzeichnis der Reihe nach anzurufen. Acht Stueck habe ich geschafft und mich ueberall als User eingetragen, nur bei einer nicht, die mich rauswarf, weil mein Modem zu langsam sei.

Meine Freundin war leicht saeuerlich, weil ich nur noch vor dem Computer saesse und mich nicht um sie kuemmere. Nicht mal telefonieren koenne sie. Ich habe ihr hoch und heilig Besserung gelobt.

Tag 5
Gestern habe ich ihr Besserung gelobt, heute bin ich zur Tat geschritten. Ich habe die Telekom angerufen und einen zweiten Anschluss beantragt. Die wollen schon naechste Woche kommen und ihn installieren. Vorher kaufe ich mir noch ein schnelleres Modem, das alte dient dann als Ersatz fuer Notfaelle.

Vorhin habe ich endlich das Spiel saugen koennen, aber es funktioniert nicht. Es hat auch eine komische Dateiendung, sonst ist es doch immer COM oder EXE. Ich werde dort mal jemanden fragen.

Die Nachricht an meinen Freund ist wohl doch in einem oeffentlichen Bereich gelandet, ich habe ganz viele Antworten bekommen. Zum Glueck stand nichts geheimes drin. Ich habe allen geantwortet, die mir geschrieben haben.

Es ist schon ziemlich spaet, aber ich werde noch kurz in den anderen Boxen vorbeischauen, da gibt es auch noch mehr Telefonnummern von weiteren Mailboxen.

Tag 6
Ich muss wohl vor dem Computer eingeschlafen sein. Ich bin um 10 Uhr vormittags aufgewacht, meine Freundin hat mich nicht geweckt, sondern bloss einen Zettel ("Aufwachen!") auf den Monitor geklebt. Die Mailbox scheint nach 5 Minuten Inaktivitaet aufgelegt zu haben, nuetzliche Einrichtung sowas, werde dem Sysop ein Dankschreiben schicken. Meinem Chef habe ich erzaehlt, ich haette einen Platten gehabt.

Ich habe wegen des Spiels mit dem Sysop gekloent, "chatten" nannte er das. Er meinte, ich braeuchte ein Programm zum Entpacken, hat mir erklaert, wo ich das bei ihm finde und wie ich es benutze. Hat auch geklappt, bloss, dass das Downloaden soviel Zeit kostet, ist aergerlich, ich hatte nicht mal Zeit zum Tetris spielen.

Die Frage wegen des Spiels hatte ich vorher schon in oeffentliche Nachrichtenbereiche (Echos, Bretter) geschrieben, und zwar in alle, in die ich schreiben durfte, schliesslich war es wichtig.

Kurz bevor meine Freundin nach Hause kam, habe ich den Computer abgeschaltet und Zeitung gelesen. Das scheint sie etwas besaenftigt zu haben. Ausserdem ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn ich heute rechtzeitig schlafen gehe, immerhin will ich morgen nicht schon wieder verschlafen.

Tag 7
Heute _hatte_ ich einen Platten. Wirklich peinlich, ich habe meinem Chef erzaehlt, ich haette verschlafen, denn noch einen Platten haette er mir wohl nicht geglaubt.

Heute nachmittag habe ich mir ein schnelleres Modem gekauft, 14400 Bit pro Sekunde soll es uebertragen koennen, ist sogar aus Hamburg, von Dr. Althuette oder so aehnlich.

Postzugelassen soll es auch sein, nur leider passt das Anschlusskabel nicht in meine Telefondose. Mein Freund kann mir er nicht helfen, er ist uebers Wochenende weggefahren. Naja, naechste Woche will ja die Telekom kommen, vielleicht koennen die mir zeigen, wie das angeschlossen wird.

Meine Freundin ist heute abend mit ein paar Freunden weg, ich habe gesagt, ich fuehlte mich nicht so gut. Den Abend / die Nacht habe ich in zahlreichen Mailboxen verbracht, in Stuttgart habe ich eine Box mit ganz vielen Leitungen gefunden und dort stundenlang gechattet.

Tag 8

Heute ist Sonnabend. Ich habe auf die Rueckkehr meiner Freundin gewartet und bin wohl wieder am Computer eingeschlafen. Meine Tastatur hat einen grossen Brandfleck, vielleicht sollte ich nicht rauchen, wenn ich muede bin, und lieber mehr Kaffee trinken. Dafuer muss ich aber in die Kueche und mich vorher ausloggen. Zigaretten sind praktischer.

Auf meine Frage wegen des Spiels habe ich viele unfreundliche Antworten bekommen, ich solle mich doch gefaelligst ans Thema ("Topic") halten oder verschwinden. Zwei Leute haben mir ausfuehrliche Erklaerungen zu meinem Problem geschickt, eine davon klang irgendwie spoettisch, aber was soll's.

Das mit den Themen hat mich aber neugierig gemacht. Es gibt zu allen moeglichen Themen Diskussionsforen, aber nur in die wenigsten darf ich auch schreiben. Nachrichten ("Mail") lesen ist eigentlich noch viel interessanter als Chatten und Spielen, das Niveau ist auch viel hoeher als im Chat.

Ich habe den Sysop im Chat gebeten, mir erweiterte Schreiberlaubnis zu geben, aber er meinte, ich solle erstmal nur mitlesen und Erfahrungen sammeln, wie die Gepflogenheiten im Netz so sind. Als ich nachfragte, was er mit Netz meinte, hat er mir ein paar Texte "zwangsdowngeloadet". Werde ich mir mal durchlesen, wenn ich Zeit habe.

Meine Freundin hat mir einen Vortrag ueber Telefongebuehren gehalten, und dass ich mir eine eigene Leitung fuer das Modem bestellt habe, fand sie wider Erwarten gar nicht gut.

Tag 9

Ich hatte einen Alptraum.

Ich komme aus dem Urlaub zurueck, und das Telefon laeutet. Am anderen Ende ist ein Telekom-Mitarbeiter und erkundigt sich besorgt, ob mit mir alles in Ordnung sei.

Kurz darauf klingelt es an der Tuer. Es ist ein Fahrer von UPS, er bringt mir ein Paket von der Telekom. Ich quittiere den Empfang und oeffne es. Darin ist meine Telefonrechnung mit Einzelverbindungsnachweis, zusammen mit einem handschriftlichen Dankschreiben.

Ich habe heute nur kurz in meinen Stammailboxen vorbeigesehen und die Texte ueber Mailboxnetze gelesen. Faszinierend.

Tag 10

Heute war der Telekom-Techniker da. Die beiden Draehte, die mein Freund an die alte Telefondose geklemmt hatte, hat er kommentarlos entfernt und dann eine weitere Dose installiert, so eine mit drei Steckplaetzen. Ich fragte ihn, ob ich da mein Modem anschliessen koenne, und zeigte ihm mein Dr. Althuette-Modem. Ich weiss nicht, warum er so komisch gegrinst hat. Er meinte, das waere kein Problem und zeigte mir, an welchen Platz der Stecker kommt.

Ich habe dann erstmal mit dem neuen Modem in diversen Boxen angerufen mich an der hohen Geschwindigkeit erfreut. Der Sysop meiner ersten Mailbox hat mir einen sogenannten Offlinereader empfohlen, um Mail als Paket downzuloaden und spaeter zu lesen, das spare mir Kosten und halte ihm die Leitung frei. Scheint ein ganz netter Kerl zu sein, er hat auch meinen Userlevel erhoeht, ich darf jetzt laenger in der Box bleiben.

Meine Freundin war nicht begeistert, mich schon wieder am Computer vorzufinden, dass sie telefonieren konnte, beruhigte sie etwas. Sie ging dann eine Freundin besuchen.

Abends habe ich wieder Nachrichten gelesen. Komisch, fuer was man sich alles interessieren kann, wenn es elektronisch daherkommt. Manchmal kann man aber am Brettnamen ueberhaupt nicht erkennen, worum es geht, zumindest wird im Pinball-Echo nicht uebers Flippern geredet.

Tag 11

Ich habe den Offlinereader ausprobiert, funktioniert wirklich bestens. Jetzt kann ich auch zum Kaffeekochen in die Kueche, ohne dass die Mailbox auflegt, oder mit meiner Freundin reden, falls sie mich mal anspricht. Ausserdem kann ich mehr Echos lesen.

Langsam kenne ich mich ganz gut aus in den Diskussionsforen, ich fange an, den Vielschreibern dort Konkurrenz zu machen. Den Versuch, in einer erst kuerzlich eroeffneten Mailbox dem haeufigsten Anrufer seine Position streitig zu machen, habe ich aufgegeben, mir fehlt einfach die Zeit.

In fuenf sueddeutschen Mailboxen haben mich einige fuer verrueckt erklaert, weil ich aus Hamburg anrufe. Sie haben insofern recht, als dass ich die Netzbretter ja auch in Hamburg lesen koennte, aber die lokalen Diskussionen entgingen mir dann ja. Vielleicht haben es mir ja einige auch bloss uebelgenommen, dass ich in ihren bayrischen Laberechos auf Platt dazwischengefunkt habe.

Tag 12

Heute hatte ich ein unangenehmes Gespraech mit meinem Chef. Er wollte wissen, was diese merkwuerdigen Satzzeichenansammlungen in meinen Briefen zu suchen haetten. Keine Ahnung von Smilies, der Mann. Ausserdem fragte er mich, ob ich neuerdings etwas gegen Umlaute habe. Ich muss wohl jetzt alles korrekturlesen, sonst gibt es noch richtigen Aerger mit ihm.

Heute kam die Telefonrechnung, verdammt hoch. Ich habe tieftraurige Mails in die Mailboxen in der Fernzone gesetzt, dass ich es mir nicht mehr leisten koenne, weiterhin anzurufen.

Ich habe meine Freundin heute den ganzen Tag nicht gesehen, ich weiss gar nicht, ob sie gestern da war.

Tag 13

Ich habe meine Arbeitszeit in Absprache mit meinem Chef um zwei Stunden verschoben. Morgens ist das Telefonieren zwar teurer, aber dafuer sind wenigstens die Mailboxen nicht staendig besetzt. Als ich abends von der Arbeit kam, war Stromausfall.

Waehrend ich noch ueberlegte, ob ich mir nicht einen kleinen Generator fuer den Computer anschaffen sollte (schliesslich ging das Telefon ja noch), nutzte meine Freundin die Gelegenheit, mir ein Gespraech ueber unsere Beziehung aufzunoetigen.

Sie fand, mein Hobby naehme zuviel Zeit in Anspruch, sei teuer (verdammt, ich hatte die Telefonrechnung doch versteckt) und isoliere mich voellig von meiner Aussenwelt. Was sie denn unter Isolation verstehe, wollte ich wissen, und sie sagte, ich haette ihren Geburtstag vergessen.

Ich sah ein, dass ich etwas gutzumachen hatte, und lud sie fuer morgen zum Mittagessen ein. Sie schlug heute vor. Ich wandte zoegernd ein, abends waere Billigtarif, aber viel weiter kam ich auch nicht, da sie Mantel und Handtasche griff und aus der Wohnung stuermte. Ich Idiot, Billigtarif ist doch die ganze Nacht lang.

Tag 14

Ich habe wieder in den Fernzonen-Boxen angerufen, um zu sehen, ob jemand auf meine Abschiedsmails geantwortet hat. Allzu traurig scheint niemand darueber zu sein. Komisches Volk da unten.

Ich habe ueber das Gespraech mit meiner Freundin nachgedacht. Teilweise hatte sie sogar recht, ich weiss inzwischen beinahe mehr ueber die Menschen in der Netzgemeinde (leider fast ausschliesslich Maenner) als ueber die Menschen, mit denen ich lebe. Es ist eine richtige Parallelwelt.

Ein gewisser nobody@nowhere.universe schrieb mir "welcome to my killfile" und schickte mehrere Megabyte Zeichenwirrwarr an mich, hat ganz schoen gedauert, das zu saugen. Ich werde meinen Sysop mal fragen, wie man das entpackt.

Meine Freundin kam kurz vorbei, holte sich ein paar Sachen und meinte, ich solle mich langsam mal zwischen ihr und der DFUe entscheiden. Ich werde mich wohl mit ein paar Freunden im Netz beraten.

Tag 15

Meine Stammbox nahm heute morgen um halb vier einfach nicht ab, kein Besetztzeichen, sie nahm einfach nicht ab. Ich habe im Telefonbuch die Nummer meines Sysops nachgeschlagen, um ihm gleich Bescheid zu sagen, falls er es noch nicht gemerkt haben sollte.

Er hat mich ziemlich uebel beschimpft, gefragt ob ich besoffen sei und gesagt, er wuerde die Box erst wieder hochfahren, nachdem er meinen Account geloescht habe. Ich habe es gegen 11 versucht, die Box lief wieder, aber ich konnte mich nicht anmelden, er scheint mein Passwort geaendert zu haben, und als Gast darf ich nicht ins Netz schreiben.

Ich habe dann erstmal in anderen Boxen angerufen und mich bemueht, dort wieder Netzzugang zu bekommen, heute wird es aber wohl nichts mehr damit. Ich werde nachher vielleicht endlich mal wieder abwaschen oder aufraeumen, die Abwesenheit meiner Freundin macht sich inzwischen bemerkbar.

Ich habe wohl etwas zuviel getrunken, meine Tastatur hat einen Brandfleck mehr. Aber es stoert mich nicht mehr.

Tag 16

Ich habe ziemlich schlecht geschlafen. Ich habe getraeumt, dass meine Freundin fruehmorgens erscheint und die Modems wegschliesst.

Als ich aufwachte, stellte ich fest, dass es stimmt. Sie hat mir Fruehstueck gemacht und mich vor die Wahl gestellt, entweder weiter meine Tage ohne sie und mit DFUe zu verbringen oder in ein normales Leben mit ihr und ohne Modem zurueckzukehren.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich einen langsamen Entzug mache, taeglich unter ihrer Aufsicht eine halbe Stunde DFUe, nur online, nur Ortstarif. Den zweiten Anschluss wird sie morgen kuendigen.

Tag 17 Sie will mit mir verreisen, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Sie hat mir ernste Konsequenzen angedroht, falls sie dann ein Notebook oder aehnliches bei mir findet. Ich habe zugestimmt und Urlaub genommen.

Irgendwie habe ich auf einmal zuviel Zeit. Ich weiss nichts rechtes mit mir anzufangen. Es gibt so viele Dinge, die ich tun koennte, aber mir fehlt die Kraft, mich aufzuraffen. Ich werde mich zwingen, mit ihr spazieren zu gehen.

Tag 18

In zwei Stunden fahren wir in Urlaub. Vielleicht kommt dann alles wieder ins Lot.

Ich habe mir eine Zeitung gekauft. Sehr gewoehnungsbeduerftig, wieder ganz normal so ein einseitiges Medium zu lesen.

Da ist garnichts zum Zurueckquoten drin.

Tag 19

Als wir gestern im Zug nach Amsterdam sassen, war ich eigentlich sehr zuversichtlich, dass ich meine DFUe-Sucht langsam eindaemmen und unsere Beziehung wieder kitten koennte.

Als ich abends im Hotel im Bett lag, ging mir auf, dass sie mich reingelegt hat. Wie soll denn der vereinbarte langsame Entzug (taeglich 30 Minuten) funktionieren, wenn Computer und Modem im Nachbarland stehen?

Ich aergerte mich ueber meine Naivitaet und konnte nicht schlafen. Ob der Aerger die Ursache war oder die Gewohnheit, nachts am Computer zu sitzen, weiss ich nicht. Jedenfalls war ich heute morgen voellig groggy.

Ich habe sie beim Fruehstueck auf unsere Vereinbarung angesprochen. Sie tat sehr bestuerzt und beteuerte, es taete ihr leid, daran habe sie gar nicht gedacht, und sie sei ueberzeugt, dass ich eine Woche auch ganz ohne DFUe auskommen koennte. Innerlich hat sie sich bestimmt vor Lachen geschuettelt. Sadismus pur.

Wir haben den ganzen Tag lang die Stadt erkundet. Huebsche Stadt eigentlich, die Altstadt zumindest. Unzaehlige Teestuben, Troedellaeden und natuerlich Coffieshops. Ein paar Postaemter habe ich auch entdeckt. Ob es in Holland auch oeffentliche BTX- Terminals gibt?

Arno Nym

Tag 20

Vormittags, waehrend sie ueber einen Flohmarkt bummelte, habe ich ein bisschen die Stadt erkundet. Wunschgemaess habe ich Briefmarken fuer Ansichtskarten gekauft, und zwar in vier verschiedenen Postaemtern. BTX-Terminals gab es aber in keinem. Vielleicht haben die in Holland auch gar kein BTX. Ein grosser Verlust waere es ja eigentlich nicht, aber in der Not frisst der Teufel ja bekanntlich allerhand ekelhaftes.

Der Tag wollte einfach kein Ende nehmen. Den Nachmittag haben wir in einer Teestube verbracht, zum Glueck gab es aber auch Kaffee. Abends haben wir Freunde von ihr besucht, Hamburger, die in Amsterdam studieren.

Ich hatte gehofft, dass einer der beiden vielleicht einen Internetzugang an der Uni hat. Natuerlich Fehlanzeige, die studieren Kunstgeschichte und wissen wahrscheinlich nicht mal, wo bei einer Tastatur oben ist.

Arno Nym

Tag 21

Ich habe mir heute auf einem Flohmarkt einen gebrauchten 286- Laptop gekauft. Meine Freundin war dabei und konnte keine schwerwiegenden Argumente dagegen anfuehren, zumal die Kiste wahnsinnig guenstig war.

Sie hatte natuerlich sofort den Verdacht, ich wuerde hier wieder DFUe betreiben wollen. Ich konnte sie aber beruhigen, denn immerhin habe ich kein Modem, keine entsprechende Software und in unserem Hotelzimmer gibt es kein Telefon.

Wir haben eine Grachtenfahrt gemacht. Viel Ungewoehnliches zu sehen gab es fuer einen Hamburger natuerlich nicht, die haben ja weniger Bruecken als wir. Computergeschaefte konnte ich bisher auch nicht entdecken.

Arno Nym

Tag 22

Meinen Plan, demnaechst mit dem Laptop wieder ans Netz zu gehen, habe ich erstmal freiwillig auf Eis gelegt, denn ich habe hier ein Internet-Cafe entdeckt. Das Problem ist bloss, dass ich noch nicht so genau weiss, wie ich ein paar Stunden dort verbringen kann, ohne dass meine Freundin Verdacht schoepft.

Vielleicht sollte ich krank spielen, schwerfallen duerfte es mir nicht, ich fuehle mich ohnehin ziemlich ausgelaugt. Auch habe ich den Eindruck, dass meine Haende morgens zittern, aber starker Kaffee hilft bekanntlich gegen alles.

Meine Schlafstoerungen sind auch nicht besser geworden, ich habe fast die ganze Nacht wachgelegen. Zwischendurch bin ich eingedoest und habe von meiner Stammbox getraeumt. Ich schreckte schweissgebadet hoch, als ich meinte, einen Carrier zu hoeren. Es war aber nichts, nicht mal der Wecker. Ich habe dann erstmal ein paar geraucht, dann fuehlte ich mich wieder besser. Die frische Luft bekommt mir nicht.

Arno Nym

Tag 23

Heute nachmittag waren wir bei ihren Freunden zum Kaffee eingeladen. Ausser "Hallo" habe ich nicht viel gesagt, nur die ganze Zeit daneben gesessen und Kaffee getrunken.

Es war fuerchterlich. Ich wurde gefragt, ob ich studiert haette, und falls ja, welches Fach. Unverschaemt, mich einfach so anzusprechen. Auf einmal stand ich im Mittelpunkt des Interesses, alle sahen mich an. Keine Bedenkzeit, nicht mal vorher eine rauchen. Ein kurzes Nippen am Kaffee war meine einzige Moeglichkeit, die Antwort etwas zu verzoegern.

"Chemie, soso, und abgebrochen. Warum denn das? Und was machst Du jetzt so?" Ein regelrechtes Kreuzverhoer, ich habe mich erstmal fuer eine halbe Stunde auf die Toilette zurueckgezogen. Danach teilte ich mit, dass ich mir wohl gestern an einem Fischbroetchen den Magen verdorben haette.

Unter Mitleidsbezeugungen wurde ich ins nahegelegene Hotel entlassen. Ich bin dann sofort zum Internet-Cafe. Eigentlich war es eher ein Internet-Coffieshop, auf jeden Fall gab es dort Gutes zu rauchen.

Im Internet selbst habe ich mich kaum zurechtgefunden. Nach mehrstuendigem Klicken durchs Worldwide Web (bunte Bilder, Werbung, kaum Inhalt) gelang es mir, einen sogenannten Newsserver zu finden. Dort gab es Mail. Viel Mail.

Um neunzig Gulden aermer verliess ich den Coffieshop wieder. Nach den paar Joints fuehlte ich mich gut wie seit langem nicht mehr. Ich glaube, heute nacht werde ich schlafen koennen.

Arno Nym

Tag 24

Ich bin gestern Abend sofort eingeschlafen, musste nicht mal Schaefchen zaehlen oder so. Gegen Mittag bin ich aufgewacht, meine Freundin war nicht da. Ich bin dann sofort wieder zum Internet-Coffieshop gegangen, er war aber noch geschlossen.

Ich ging in einen Troedelladen, der auch antiquierte Computer- Hardware verkauft. Auf der Suche nach einem Akustikkoppler natuerlich. Der Besitzer konnte mir zwar damit nicht helfen, aber dafuer mit einem alten Modem, diversen Kabeln und einer Bastelanleitung.

Handwerklich geschickt bin ich ja ein bisschen, also habe ich mir noch ein paar Werkzeuge gekauft und mich im Hotelzimmer an die Arbeit gemacht. Im Bad natuerlich, ich bin ja schliesslich vorsichtig.

Arno Nym

Tag 25

Ich bin fruehmorgens mit einem Taxi an den Stadtrand gefahren. In einer einsam gelegenen Telefonzelle habe ich dann meine Ausruestung ausgepackt: Lapton, Modem, Draehte, Werkzeug.

Nach der "Bastelanleitung" habe ich den Hoerer geoeffnet, ein paar Draehte abgerissen und mit meinem Modem verbunden. Ob es geklappt haette weiss ich nicht, auf dem Laptop war kein Terminalprogramm.

Ein Taxi konnte ich mir nicht rufen, ich habe den Hoerer nicht mehr zusammenbekommen. Ich bin dann zu Fuss losmarschiert, bis ich eine Bushaltestelle fand. Von dort bin ich zurueck ins Hotel gefahren.

Meine Freundin schlief noch. Mir war nicht zum Schlafen zumute, eher zum Heulen. Meine Haende zittern wieder, aber Kaffee hilft nicht mehr dagegen. Ich werde nachher bei einem Coffieshop vorbeischauen.

Arno Nym

Tag 26

Gestern haben wir uns abends wieder mit ihren Freunden getroffen. Sie haben andauernd versucht, mich in Gespraeche zu verwickeln. Es war wirklich Dauerstress, ich habe kaum geantwortet.

Als ich von einem Toilettengang wiederkam, verstummte ihr Gespraech ploetzlich. Ich bin sicher, die haben ueber mich geredet. Als ob mit mir was nicht Ordnung waere. Sie haben mich so merkwuerdig angesehen, so als ob ich nicht richtig ticke.

Sie goennt mir bloss mein neues Hobby nicht. Aber zur Teilnahme an ihrem "gesellschaftlichen Leben" kann sie mich auch nicht zwingen. Von jetzt an rede ich mit denen kein Wort mehr.

Arno Nym

Tag 27

Jetzt ist alles aus. Schluss und vorbei. Wir haben uns getrennt.

Ich bin letzte Nacht erst gegen fuenf eingeschlafen. Sie hat sich morgens gedacht, dass wir den Urlaub lieber abbrechen sollten. Dann hat sie angefangen, unsere Sachen zu packen. Sie hat dabei Laptop und Modem entdeckt.

Sie hat mich aufgeweckt und mich angeschrien. Warum ich sie so belogen haette. Sie hat mir ueberhaupt nicht zugehoert. Ich bin dann aus dem Zimmer und zum Internet-Coffieshop gerannt. Er war noch geschlossen. Ich habe gegen die Tuer gehaemmert, bis mir die Hand wehtat. Dann habe ich mich weinend davorgesetzt.

Zwei Polizisten wollten mich mit auf die Wache nehmen. Aber ich lasse mir nichts mehr gefallen. Ich kann im Schlafanzug durch die Stadt laufen, soviel ich will. Ich habe ein bisschen um mich geschlagen.

Meine Freundin hat mir abends alle meine Sachen auf die Wache gebracht, nur die Computerteile nicht. Sie ist zurueck nach Hamburg gefahren.

Mich haben sie noch nicht weggelassen. Ein Arzt war bei mir, so ein Psycho-Klempner. Mit denen redet man besser gar nicht erst.

Arno Nym

Tag 28

Jetzt bin ich in diesem Krankenhaus und es geht mir gut, danke. Sie haben mir Medizin zum Schlafen und gegen mein Zittern gegeben.

Auch die Pfleger, die mir das Essen bringen, geben sich wirklich die groesste Muehe. Aber sie sagen mir nicht, wann ich wieder nach Hause kann. Und was aus meinen Mailfreunden wird.

"Nein, ich halte gar nichts von Computern" meint der eine. "email? Was ist das?" sagt der andere.